Türkei Drei und Bye-bye

Kleiner Drachen
Kleiner Drachen


Also erstmal herrschte bei uns voll die Euphorie, weil uns nach Kaukasus und Iran die Osttürkei wie ein hochentwickeltes westliches Konsumparadies vorkam.. gut befahrbare Straßen, Supermärkte, Leute, die etwas englisch sprechen und ein deutliches Mehr an Privatsphäre (auch mal ganz nett). Wir trafen uns nochmal mit Valerio und Nika, besichtigten einen echten coolen Sultanspalast und feierten das türkische Baguette sehr ausgiebig. Es war einfach geil, warm, fluffig, kross. Danach folgten ein paar unspektakuläre aber nette Fahrtage durch Ostanatolien, wo es auffallend viele von Soldaten bewachte Check-points gab, die sich aber alle sehr ausgiebig über uns freuten. Ehrlich gesagt mussten wir uns aber auch erst an die distanzierte Art der Leute gewöhnen. Niemand knetete die Backen unserer Kinder und schenkte ihnen Süßigkeiten, niemand sagte Hosgeldiniz, niemand bot uns Tee an.. Aber diese kühle Stimmung war vermutlich auch der schwierigen politischen Lage Kurdistans geschuldet oder im Norden und Osten ist es einfach etwas anders. Wie dem auch sei, wir fuhren und fuhren. Wundervolle einsame Hochebenen zogen an uns vorbei und ständig wurden wir beim Rückgeld über den Tisch gezogen (ganz mysteriös, aber 8 von 10 Leuten haben einfach zu wenig Geld raus gegeben). Nach Tagen erreichten wir eine sehr coole Höhle namens Bellica und waren dort die einzigen verantwortungsbewussten Besucher, die die am Eingang ausgelegten Helme auch trugen. Wurden in der Höhle auch prompt Verschiedenes von anderen Besuchern gefragt - natürlich auf türkisch. Die werden sich gewundert haben, wieso die Ausländer als Aufseher einstellen.. Es war dermaßen witzig-peinlich, dass ich gerade beim Schreiben noch hysterisch lachweinen muss..

Es war alles in allem eine angenehme Fahrt, aber sie zog sich ungemein. Die Türkei ist so riesig und wir konnten aus Gründen täglich nur 2-3 h fahren. Als wir mal das Gefühl hatten, wir sind jetzt richtig gut vorwärts gekommen, waren es immer noch 1000km bis Istanbul. Wir sahen echt viele Provinzspielplätze, viele verwesende Tiere und Müllberge, manchmal sogar auch verwesende Tiere in Müllbergen auf Spielplätzen. Und unsere Euphorie sank.


Neben Parkplätzen von Höhlen, Museen und Burgen, hatten sich zum Übernachten sich Bezahl-Picknick- und Nationalparks bewährt. Die waren immer einigermaßen sauber und voller Spielplätze und Sportgeräte und immer schön gelegen. Der letzte Park allerdings glänzte nicht unbedingt durch landschaftlichen Liebreiz und war auch kostenlos, trotzdem der Beste und Schönste von allen. Ormanya Park liegt so 1,5h östlich von Istanbul und ist total modern und aufgeräumt mit Wildgehege und kleinem Zoo. Außerdem gibt es eine abgegrenzte kleine, sehr ruhige und schattige Campinganlage mit Strom, Wasser und Toilettenhaus. Wir waren vollkommen begeistert. Wir kamen samstags an und der Park war verständlicherweise brechend voll, doch wir erblickten ein Schiebetor und dahinter zehn schattige Stellplätze mit Strom und nur die Hälfte besetzt. Nach unkomplizierter Anmeldung ruhten wir uns etwas aus und schaukelten zwischen den Kiefern in der Hängematte und aßen süßeste Kirschen, die wir vorher auf der Autobahn gekauft hatten. So laut und gesellig es in den türkischen Picknickparks immer zuging, so ruhig und gechillt war es auf den Campingplätzen - und so auch hier. Wenige Meter weiter tobte der Familienzoopicknickkrieg und hier lief nichtmal ein leises Radio. Es war echt himmlisch. 

Später warfen wir uns auch ins Getümmel und genossen es, in der anonymen Masse etwas unterzugehen, wenngleich der Spielplatz für unsere Kinder einfach zu voll war und sie wohl zum ersten Mal einfach nicht drauf wollten. 

Am nächsten Tag schauten wir uns auch noch den ruhigen und verlassenen Waldteil des Parks und das Wildgehege an, da trafen wir dann mysteriöserweise genau eine Familie - vermutlich zu weit zu laufen mit den ganzen Picknicks. Überhaupt scheint es in der Türkei so zu sein, dass man am liebsten dort picknickt, wo auch möglichst viele andere sind. Während man in Deutschland versuchen würde, den größtmöglichen Abstand zu wahren, wenn man bspw. auf einen Grillplatz kommt, wo schon andere grillen, würde man sich in der Türkei vermutlich an den Tisch direkt daneben setzen. In einigen Parks sind dann einige Bereiche völlig überfüllt (und übermüllt) und wenig weiter sitzt kein Mensch, obwohl da der gleiche Spielplatz, der gleiche Brunnen und das gleiche Klohäuschen stehen. Seltsamer, lustiger Menschenmagnetismus.

Aber zurück zum Thema Zoo. Einfach weil wir (und ein älteres britisches Ehepaar) offenbar eher seltene internationale Besucher waren, wurden wir von der Managerin des Parks zu einer sehr coolen Tour über das Gelände eingeladen. Im Golfauto fuhren wir erst zu einem süßen Hobbitdorf, dann durch das Wildgehege und schließlich durften wir auch noch die Lemuren und die Känguruhs füttern. Hat echt echt Spaß gemacht. Kann sein, dass wir dann auch noch Teil eines Werbefilms werden oder so, weil ein professioneller Kameradude das alles gefilmt hat. Noch mal Tesekkür ederim, echt geiler Ausflug!

Und dann erreichten wir schließlich Istanbul. Waren erst total nervös wegen dem Verkehr, von dem man nie etwas Gutes hört, aber war voll in Ordnung. Die Brücke über den Bosperus war sehr hübsch und wie immer in großen Städten, hatten wir ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit (welches schnell verflog, als wir uns später dauernd mit schlitzohrigen (freundlich ausgedrückt) Taxifahrern rumschlagen mussten).

Wir hausten auf einem bekannten bewachten Parkplatz eines kleinen Fußballclubs zwei Kilometer vom touristischen Zentrum entfernt und waren dort sehr zufrieden. Es war nachts ruhig, die Mannschaftsduschen waren ok und vom Meer wehte manchmal ein kleines kühles Lüftchen heran. Einige Schritte weiter gab es auch noch ein deliziöses Grillbüdchen mit zahlreichen vegetarischen Freuden und englischsprechendem Grillmaster. Wir schlemmten enorm. Wir schafften es außerdem fast den ganzen Topkapi-Palast anzuschauen, die blaue Moschee zu besichtigen und unsere wiener Freunde nochmal zu treffen und in Sitzsäcken ausgiebigst Tee zu trinken. Für mehr reichten die Nerven bei 35 Grad und Mittagsschläfchen-Rückkehr-Zwang ohne Taxi nicht aus. Ohne Frage eine geile Stadt, die man besuchen muss, aber erst wenn die Kinder schon weit laufen können und ein profundes kulturelles Interesse aufgebaut haben.. oder lieber bevor man Kinder hat.

Und dann verließen wir die Türkei - dieses große, schöne, beeindruckende und überaus vielseitige Land. Wir haben echt viele gute Leute hier getroffen. Absolut ein paar Reisen wert.

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