Հայաստան

Wir kommen völlig durchgeschüttelt am armenischen Zoll an, denn es gab dorthin keine Straße.. Irgendeine Art breiten Streifen Lehms voller badewannengroßer Löcher auf dem sich Fahrzeuge aller Art im Schneckentempo in Schlangenlinien fortbewegten oder abgeschleppt wurden,  haben wir benutzt.

Beim Zoll lief wieder alles recht entspannt, es kam immer mal wieder ein Zöllner rein, um sich das Wohnmobil mal von innen anzuschauen und freute sich. 

Wir mussten niemanden bestechen und konnten gleich hinter dem Zoll in einem kleinen Sprinter Sim-Karten kaufen. 

Unser erster Abend am Arpi-See war wunderschön, wenn wir dort auch nur noch kurz spazieren gehen konnten. 20km staubige Schotterpiste - über eine Stunde Fahrt. 

Am nächsten Tag fuhren wir durch wunderschöne Landschaften in Armeniens zweitgrößte Stadt Gumri. Irgendwie gibt es hier ziemlich viele Brunnen, die alle kein Wasser führen und so fragten wir einfach in der Autowäscherei nach Wasser. Deal war sofort geritzt. Im Supermarkt wurden wir (nicht zum letzten Mal) von einer persönlichen Shopping-Assistenz begleitet, die uns armenische Köstlichkeiten anpries und erklärte und übersetzte und auch einfach mal Vorschläge machte.. “Coke?“ Es war unglaublich nett und im oberen Stockwerk gab es außerdem auch noch ALLES aus dem Non-food-Bereich. Neben zwei Sorten Spülschwämmen, standen Toaster, Waffeleisen, Pampers, Geschirrabtropfständer, Alufolie, Geschirr, Wäscheklammern, Spielzeug, Socken, Schreibwaren usw. und das alles auf nicht allzu großem Raum. Es war der perfekte Laden. Allerdings wohl eher nichts für armenische Durchschnittsverdiener, denn die Preise waren fast auf deutschem Niveau. 

Hier sind zehn Euro ein Tageslohn und der Lebensstandard ist vor allem auf dem Land sehr einfach: Subsistenzswirtschaft und Plumsklos und - ich sag mal - unsachgemäße Entsorgung diverser Gebrauchsgüter.. Manchmal sieht es daher vielleicht etwas schäbiger aus, als es ist. Aber egal. Das Land ist wundervoll. Sowas schönes, vielseitiges, spannendes, freundliches.. wir sind verknallt. 


In der zweiten Nacht hatten wir das erste Mal auf der ganzen Reise ein etwas unangenehmes Erlebnis. Wir übernachteten auf einem Picknickplatz und eine kleine Party ging los, als die Kinder schon schliefen. Um uns rum orientalischer Techno und besoffene armenische Männer (ausschließlich). Hab ich Ohrstöpsel reingemacht und bin schlafen gegangen - war ja schon nach zehn - und werde plötzlich von Gepolter wach und denke, dass der Manu im Bad rumpoltert und es dauert echt lang, bis ich richtig wach werde und merke, der Manu sitzt noch vorne und liest. Ich rufe ihn leise. Das Gepolter kommt von außen hinten! Jemand macht sich am Wohnmobil bzw. Fahrradträger zu schaffen! Megablöde Situation. Wir sind beide hellwach. Manu fasst sich ein Herz, öffnet die Schiebetür und ruft „Hey“ raus und schlägt sie wieder zu. Danach ist wieder ruhig, die Party geht noch ein bisschen weiter und vor zwölf gehen alle wieder. Ist auch saukalt. Wir spekulieren noch ein wenig, was da los war, aber trauen den Druffis nicht allzu viel kriminelles Potenzial zu und schlafen dann wider erwarten ganz wunderbar. Am nächsten Morgen ist Almas Laufrad von der Befestigung auf dem Träger gelöst und unser Fußball, der dahinter eingeklemmt war, ist verschwunden. Ein wenig trauern wir ihm hinterher, denn er kam damals im Hafenbecken von Kos zu uns geschwommen. Andererseits ist es einfach cool, dass er einen so bewegten zweiten Frühling genießen kann. 


Man denkt ja vor so einer Reise, mit das Blödeste, was passieren könnte, ist, dass nachts jemand was am Wohnmobil macht.. tja.. Irgendwie war es gar nicht so schlimm. Und irgendwie kann man auch nicht erwarten, dass ein dermaßen provokativ auf Augenhöhe angebrachter Fussball inmitten von betrunkenen Jugendlichen, nicht angerührt wird. 


Ich könnte aber Stunden über Stunden über Schönes, Spannendes, Freundliches schreiben, was wir hier gesehen und erlebt haben. Vor allem ist es unglaublich entspannt, hier zu reisen. Die Stellplatzsuche ist easy, es gibt tausende kleine, interessante Ausflugsziele - meist architektonisch spannende Klöster vor spektakulären Landschaften, aber auch archäologische Highlights, wie das (Nicht-)Stonehenge von Armenien und traurige Denkmäler (besonders das sehr sehr gute Genozid-Museum in Yerewan, das wir leider nicht ganz gesehen haben, weil es für kleine Kinder nicht so geeignet ist und auch nicht-schlafende Mütter emotional ziemlich aus der Bahn werfen kann), wunderschöne Wanderungen zu herrlichen Ruinen, abgedrehte Felsformationen, Wasserfälle und der mit Abstand beste, gemütlichste, sauberste, durchdachteste und schönste Campingplatz unserer Reise und eine verlassene sowjetische Radioskop-Station und kleine Schakale, die abends ums Auto rennen, wilder Spargel tonnenweise, völlig einsame Bergstraßen.. 

Armenien ist das neue Norwegen. Nur ohne Mülltonnen.

Auf dem Campingplatz haben wir einen ganz verrückten Haufen unterschiedlichster Reisender getroffen. Zwei Ladies aus München, die sich mit Rucksack und Marschrutka innerhalb von zwei Wochen durch Georgien und Armenien haben treiben lassen, ein belgisches Paar im krassen Expeditions-Overlander mit gepanzertem, kameraüberwachtem Gelände-Wohnwagen hinten dran, zwei Mietwagentouristen im Lada Niva, den jeder am meisten bestaunt hat, eine russische Familie in Osterferien, deren Kinder bei sonnigen 16 Grad fröhlich im eiskalten Pool planschten und Ferdi und Ines, die im stilvollen High-End-Luxus-Truck freundlich schwäbisch derzeit richtung Kasachstan reisen. Alma und Ferdi wurden beste Kumpels, sie backten sogar zusammen Sauerteigbrot und alle freuten sich sehr, dass wir uns später noch einige Male wiedertrafen, zumal sich die Erwachsenen untereinander auch ganz gut verstanden.

Wir drehten außerdem noch eine Runde durch Berg-Karabach, ein kleiner Staat auf aserbaidschanischem Gebiet, der von wirklich niemandem anerkannt wird. Die Lage ist aber stabil und der Krieg seit 20 Jahren vorbei. Den Konflikt zu verstehen, ist sehr schwer und wir können hierzu keinerlei politische Aussagen machen, aber das Land ist wunderwunderschön! Wir reisten an einem wichtigen Feiertag ein und wurden in der Bank beim Geld abheben direkt zu Kuchen und morgendlichem Cognac eingeladen. Eigentlich waren ausnahmslos alle Menschen in Berg-Karabach sehr glücklich über unseren Besuch und wir fühlten uns daher extrem wohl. Eine amerikanische Familie von Exil-Armeniern schenkte uns eine ganze Tasche der weltbesten karabachischen Koriander-Pfannkuchen und wir blieben mal wieder völlig verstört zurück. Wollen selbst auch noch freundlicher werden in Zukunft! 


Armeniens Süden vor Karabachs Grenze hat es uns dermaßen angetan, dass wir uns gut vorstellen konnten, nochmal dorthin zu fahren und irgendwie hatten wir gar nicht mehr so Lust, zurück nach Georgien zu fahren. Es stellte sich zum Glück heraus, dass die iranische Grenze überhaupt nicht so weit weg ist und wir beschlossen, in Yerewan Visa zu besorgen und dann südlich vom schönen und mächtigen Ararat in die Türkei einzureisen. Die Visa-Geschichte verlief unkompliziert und schnell, wir kauften in Yerewan noch Hijab und Blusen und dann verbrachten wir nochmal ein paar Tage auf dem paradiesischen Campingplatz 3Gs. Kein Ort hätte für Alma geeigneter sein können, zum ersten Mal seit über einem Jahr, mal wieder krank zu werden. Wir verbrachten eine miese höllische Fiebernacht und einen schönen entspannten krank-Tag inklusive Mittagsschlaf für alle. Nach zwei Tagen war alles wieder gut, bis auf die Tatsache, dass wir unseren Freunden definitiv Tschüß sagen mussten. Ihr Armenien-Visum lief ab und mit ihrem Ford durften sie nicht ihn den Iran einreisen. Es war schon etwas traurig. Wir haben uns seit Antalya oft gesehen. Sie sind echt super gute Leute, die auch zu jausen wissen, Badegewänder tragen und sich abends nicht zu spät niederlegen! Überhaupt eine enorme Leistung von ihnen, unser tägliches Familienchaos immer so easy ertragen zu haben! Und sie waren genauso müde, wie wir! (Wir wünschen Euch eine wundervolle Weiterreise!)


Heute waren wir zum zweiten Mal am armenischen Stonehenge spazieren. Dieses Mal abends und alleine, denn wir übernachten hier auf dem Parkplatz in einer rauhen, mystischen, zerklüfteten Landschaft, in der Ferne rundum umgeben von hohen Schneegipfeln. Die letzten zwei Tage waren sehr heiß. (Plötzlich über dreißig Grad und hoffentlich kein unschöner Vorgeschmack auf unsere Rückreise.) Hier ist es echt wunderbar kühl.

Heute haben wir zwei kleine Kuchen und eine handvoll Hustenbonbons bekommen. 

Wir haben eine Gruppe Leute aus Berg-Karabach getroffen, die sich mit unseren Mädchen fotografieren lassen wollten. Leider hat Vega geweint und Alma sich sich versteckt, was aber niemanden davon abhalten konnte, es weiter zu versuchen und wir durchführen entschuldigten uns halbherzig für unsere unkooperativen Bälger. Normale Standardsituation für uns mittlerweile. Wenigstens hat heute keiner aufmunternd gesagt, dass das Dritte dann bestimmt ein Junge wird. 



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